Die Sektion ´PSYSOZ`
´Psychologie und Sozialwissenschaften`
in der DAIG e.V.
(Satzung §2)
Ziele der Sektion und Ihrer Arbeitsgruppen
I. Gemäß §13 der Satzung der Deutschen AIDS Gesellschaft wird die Sektion ´Psychologie
und Sozialwissenschaften` (PsySoz) als neue Abteilung in der DAIG gegründet.
Begründung:
1. Gemäß §3 (Vereinszwecke) der Satzung der DAIG dient die neue Sektion dem Ausbau der Förderung von Wissenschaft und Forschung der HIV-Infektion in
der DAIG, des öffentlichen Gesundheitswesens sowie der Erarbeitung und Weitergabe von Informationen, hier besonders der medizinpsychologischen und sozialwissenschaftlich-psychosozialen Forschung mit dem Ziel der
Prävention, der Weiterentwicklung der psychosozialen Begleitung und psychotherapeutischen Behandlung von Menschen mit HIV und AIDS.
2. Um der aktuellen WHO-Definition von `Gesundheit´ (Gesundheit wird hier als biopsychosozialer synergistischer Zielbegriff definiert) sowohl
inhaltlich als auch formal entsprechen zu können, wird die Sektion PsySoz in der DAIG etabliert. Sie ergänzt den biologisch-medizinischen Forschungsansatz der DAIG inhaltlich durch einen komplexen
psychosozialen Parameter und garantiert die formale Entsprechung durch die Einrichtung einer quasi-institutionellen Abteilung innerhalb der Deutschen AIDS Gesellschaft.
3. Die Sektion PsySoz möchte einen institutionalisierten Rahmen bieten für die überregionale Vernetzung (Aufbau von Netzwerken) von
medizinischen, psychologischen und psychosozialen Forschungsleistungen im Bereich der Behandlung und Prävention der HIV-Infektion. Hierzu möchte sie auf einem hohen Niveau akademische und nichtakademische
Forschungseinrichtungen, überregionale und lokale Versorgungseinrichtungen bis hin zu Pflegediensten und regionalen AIDS-Hilfen auf der Basis eines ganzheitlichen Ansatzes zusammenführen, um theoretisches und
praktisches Wissen nicht partikular versickern zu lassen, sondern wissenschaftlich auszuwerten, um dem neuen ganzheitlich-integrativ paradigmatischen Ansatz der medizinischen AIDS-Forschung auch international
Gewicht zu verleihen und ihre Ergebnisse auch als wertvolle und wegweisende ´Abfallprodukte` für die allgemeine Gesundheitspolitik in Deutschland verfügbar zu machen. (Dieser Ansatz der Sektion PsySoz
in der DAIG möchte den Förderrichtlinien zur Einrichtung von Kompetenznetzwerken für die Medizin (MedNet) des BMBF entsprechen, um wissenschaftliche Resultate in diesem Sektor organisatorisch und finanziell auch in relativ kurzer Zeit realisierbar zu machen.)
II. Die Sektion PsySoz wird fünf Arbeitsgruppen umfassen, die theoretisch-gundlagenwissenschaftliche Forschung, klinische Psychologie, psychosoziale Versorgung und
Selbsthilfe unterscheiden
1. Medizinische Psychologie und Psychoneuroimmunologie
Diese relativ neuen medizinischen Fachdisziplinen untersuchen die Interdependenz von
Psyche, Hormon-, Nerven- und Immunsystem. Während schon heute diese Fachbereiche in der Onkologie qualitativ hochwertige Studien vorzeigen können, ist es in der AIDS-Forschung bisher nur einigen wenigen Forschern
gelungen, die komplexe Wechselwirkung von Streßhormonen und Immunsystem und ihre möglichen Auswirkungen auf die HIV-Pathogenese zu belegen. Gerade darum aber ist eine von der DAIG initiierte und unterstützte
bundesweite und europäische Vernetzung von akademischen und nichtakademischen Forschungseinrichtungen vonnöten, um qualitativ hochwertige und aussagekräftige Studien (zentrale Labors, Studienmonitoring etc.)
durchzuführen, da gerade ihre möglichen Resultate für den Bereich der HIV-Infektion, aber auch weit darüber hinaus für die allgemeine Infektiologie und das öffentliche Gesundheitswesen große und auch politische
Auswirkungen haben könnten.
2. Psychotherapie und Verhaltenswissenschaften
Im Bereich der Sekundärprävention spielt die Psychotherapie bei Menschen mit HIV und
AIDS eine herausragende Rolle. Da eine endgültige Therapie noch nicht verfügbar ist, erleben viele Betroffene ihre HIV-Infektion noch immer als traumatische finale Bedrohung, auch ist die Angst vor dem ´sozialen
Tod`, d.h. vor sozialer Ausgrenzung und Isolation, oft Auslöser verschiedener Formen von psychischer Erkrankung. Traditionelle psychotherapeutische Angebote werden aber häufig der psychischen und sozialen Klinik von
Betroffenen nicht gerecht. Ihre Auswirkungen sind oft kontraproduktiv. Um so notwendiger ist es, psychotherapeutische Interventionen speziell für Menschen mit HIV und AIDS zu entwickeln, um auch hier adäquat
behandeln zu können. Aufgabe der DAIG könnte es sein, qualifizierte Forscher, die sich in Deutschland schon im Bereich der Psychotherapie bei AIDS profiliert haben, zusammenzuführen, um synergistische Effekte und
qualitativ hochwertige Studien anzuregen, die einerseits die Effektivität von psychotherapeutischen Modellen bei Betroffenen untersuchen und andererseits hochselektive therapeutische Interventionen entwickeln.
3. Medizinsoziologie
Die primärpräventive Bedeutung von medizinsoziologischen Untersuchungen bei einer noch
nicht endgültig behandelbaren und sexuell übertragbaren Erkrankung wie der HIV-Infektion ist für das öffentliche Gesundheitswesen nicht hoch genug einzuschätzen. Epidemiologische Forschungen und Ergebnisse müssen
analysiert und Infektionsketten soziologisch untersucht werden, um geeignete öffentlich präventive Maßnahmen zu treffen. Erst die genaue Kenntnis von öffentlichem Bewußtsein zu und über AIDS, erst das explizite
Wissen um Lebenswelt, Wirklichkeit und Lebenspraxis von sozialen Gruppen, die von AIDS besonders betroffen sind, hilft, neuen Infektionsketten vorzubeugen und bestehende einzudämmen. Auch hier könnte es Aufgabe der
DAIG sein, durch eine geeignete Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung politisch relevanter Einrichtungen (BMG und BMBF), medizinsoziologische Forschungen zu initiieren und durch die Bereitstellung ihrer
wissenschaftlichen Kapazitäten diese verstärkt zu unterstützen.
4. Psychosoziale Begleitung und Selbsthilfe
Die Notwendigkeit von psychosozialer Begleitung bei Menschen mit HIV und AIDS ist eine
in der Öffentlichkeit und bei politischen Institutionen inzwischen allgemein akzeptierte Tatsache. Auch sprechen die Leistungen der Deutschen AIDS-Hilfe und ihrer regionalen Einrichtungen nach mittlerweile 12 Jahren
ihres Bestehens für sich. Als Vereine zur Selbsthilfe von HIV-infizierten meist schwulen Männern und solidarischen FreundInnen gegründet, bieten sie heute eine breite Palette von Dienstleistungen an:
· Primärpräventive Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit.
· Sekundärpräventive
psychosoziale Begleitung von Betroffenen (Selbsthilfe-gruppen, psychotherapeutisch angeleitete Gruppen, Beratung bei Fragen zu medizinischen Therapien, Sozialrechtsberatung, Psychotherapie etc.)
· in der Tertiärprävention
sind die AIDS-Selbsthilfe-Organisationen aktiv in der ambulanten Betreuung, bei Wohnprojekten und bei sowohl ehrenamtlicher als auch hauptamtlicher Sterbebegleitung. In einigen größeren Städten haben sie auch
Pflegedienste gegründet oder sind bei ambulanten Pflegediensten in Verwaltung und Organisation mitbeteiligt.
Die AIDS-Hilfen und mit ihnen kirchliche Organisationen leisten heute ganzheitliche
´AIDS-Hilfe` Arbeit vor Ort. Besonders in den letzten beiden Jahren aber ist ihnen noch eine besondere Aufgabe zugewachsen: die Unterstützung und Beratung von Betroffenen bei der Anwendung aktueller
Kombinationstherapien. Wie schwierig sich die Compliance bei dem notwendig strengen Therapieregime bei nicht wenig Betroffenen gestaltet, ist wohl den meisten Klinikern und niedergelassenen Schwerpunktärzten
bekannt. Und doch gilt: ohne Compliance kein Überlebensbenefit und keine aussagekräftigen Studien. Um so erstaunlicher ist es, daß es in Deutschland - von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen - und im Gegensatz zu
den USA, wo Selbsthilfegruppen in allen großen Ethikkommissionen vertreten sind, es eine gemeinsame AIDS-Arbeit von Forschern, Klinikern und Selbsthilfegruppen in nennenswertem Umfang nicht gibt. So versickert
grundlagenwissenschaftliches und klinisches Know-how oft genug im akademischen Elfenbeinturm und dringt nicht durch zu den Multiplikatoren an der Front; et vice versa strahlt pragmatisches und
basiswissenschaftliches Erfahrungswissen, das aber für die Effektivität und Durchführbarkeit groß angelegter Studien notwendig ist (wie es uns z.B. die USA, England und Holland zeigen), nicht aus in jene öffentlich
oder industriell geförderten Einrichtungen, die Studiendesigns entwickeln und für ihre Durchführbarkeit verantwortlich zeichnen.
Auch hier aber könnte die DAIG über die Sektion PsySoz
neue Wege der Vernetzung beschreiten. Die aktive Mitarbeit von Selbsthilfegruppen bei der Planung qualitativ hochwertiger Studien sowie bei der Durchführung von wissenschaftlichen Veranstaltungen und Kongressen würde synergistisches Wissenspotential ermöglichen und über Entscheidungsprozesse nach unten medizinische Beratung transparenter und Compliance- und Vertrauensprozesse effektiver gestalten.
5. Pflege und Pflegewissenschaft
Durch die AIDS-Hilfen und über die AIDS-Hilfen hinaus haben sich in den letzten 10
Jahren vor allem in den Großstädten Deutschlands zunehmend Sonder- und Spezialpflegedienste etabliert, die sich erfolgreich bemühen, den besonderen Pflegeerfordernissen und Komplikationen des AIDS-Vollbildes in
einem ganzheitlichen Pflegeverständnis gerecht zu werden. Neben der kontinuierlichen Zunahme eines praktischen Erfahrungswissens von Pflege von Schwerstkranken bis hin zur Abgabe von Substitutionspräparaten und
einer 24-stündigen Sterbebegleitung entwickelten sich erste vielversprechende Ansätze einer Pflegewissenschaft (Bielefeld), die den ganzheitlich biopsychosozialen Ansatz der WHO nun auch im Pflegesektor abzurunden
vermag. Freilich entwickelt sich auch dieser neue Wissenschaftssektor weitgehend partikularistisch und ist noch nicht eingebunden in eine umfassende Vernetzung von Wissenschafts- und Forschungsstrukturen, wie diese
im AIDS-Bereich in Deutschland so dringend notwendig wäre. Auch hier könnte die DAIG mit der Sektion PsySoz
eine notwendige Integration fördern und der Pflegewissenschaft und ihrem Dienstleistungssektor ein wissenschaftliches Forum bieten, auf welchem sie in enger Kooperation mit den anderen Sektionen ihre wissenschaftliche und praktische Arbeit zu optimieren vermag.
III. So ist es Ziel der Gründung der Sektion PsySoz
in der DAIG, zum einen inhaltlich den in biopsychosozialen Wissenschaftsmodulen partikularistisch vorhandenen Wissenspool in Deutschland (zum Teil hochqualifiziertes Grundlagen- und Erfahrungswissen) durch bundesweite Kongresse und Veranstaltungen in und durch die DAIG zusammenzuführen, synergistisch zu optimieren und weiterzuentwickeln, zum anderen formal durch die wissenschaftlichen Möglichkeiten der DAIG über die Einrichtung einer zentralen Struktur zur bundesweiten Studienplanung und Koordination durch die Möglichkeit eines Monitoring sowie der Nutzung - da wo bei PsySoz erforderlich - von Zentrallabors, etc. bundesweite und hochqualifizierte Studien zu initiieren und durchzuführen.
Durch die sowohl horizontale Vernetzung von PsySoz
mit ihren einzelnen Arbeitsgruppenen wie auch durch ihre vertikale Vernetzung mit den anderen Sektionen der DAIG und ihrem wissenschaftlichen Sekretariat und Beirat sowie den angegliederten wissenschaftlichen Fachgesellschaften soll ein in Deutschland bisher einmaliges multidiszplinäres und ganzheitliches Forschungs- und Erfahrungswissen der HIV-Infektion erarbeitet werden, das auch international sowohl qualitativ durch den geschaffenen Wissenspool beeindrucken kann wie auch formal durch ihre ganzheitliche horizontale und vertikale Vernetzung von biopsychosozialen Wissensinhalten und ihrer beispielhaften Kooperation von akademischen und nichtakademischen Forschungseinrichtungen, von überregionalen und lokalen Versorgungseinrichtungen, von Pflegediensten und AIDS-Hilfen.
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